Frage: Was haben Football Leaks und Markus Anfangs Spielsysteme miteinander zu tun? Auf dem ersten Blick nicht viel, auf dem zweiten Blick erhalten wir jedoch eine andere Perspektive auf die Gegenwart und relativiert jede bislang geäußerte Kritik in Richtung Markus Anfang. Aber später mehr…

Markus Anfang ist in Köln angetreten mit der Absicht eine Mannschaft zu formen, die im 4-1-4-1 ihre Gegner dominiert. Darüber hinaus sollte sie erfolgreich und attraktiv in ihrer Spielweise für den Zuschauer sein. Nehmen wir es vorweg: 12 Spieltage lang (bis zum Spiel beim HSV) ist dies nicht aufgegangen und erst durch den Wechsel in ein 3-5-2 wurde es zuletzt besser.

In Anfangs favorisiertem 4-1-4-1 war unser FC unterm Strich überfordert, die Spieler hatten genug mit sich selbst zu tun gehabt, eine Dominanz auf den Gegner auszuüben war schlichtweg unrealistisch. Im Gegenteil. Die Gegner hatten im Grunde leichtes Spiel mit dem FC. Ohne echten Spielmacher und ohne echte Idee im Spielaufbau war es leicht für den jeweiligen Gegner, dem FC die Räume zu verschließen. Hinzu kamen technische Mängel bei vielen Spielern hinzu, wodurch in den Aktionen das dringend benötigte Tempo gegen tiefstehende Gegner verloren ging. Und obwohl auf dem Papier nahezu jeder Gegner weniger Qualität besitzt als unser FC, war es für diese leicht, unser Mittelfeld zu überbrücken. Entweder wurde dieses mit einem langen Ball direkt überspielt oder es entstand im Zentrum ein Überzahlspiel für die Gegner.

So war unser FC vorne nicht dominant und hinten jederzeit anfällig.

Der Gegner wiederum konnte unseren FC leicht verteidigen und für sich selbst immer dann für Entlastung sorgen, wenn der FC mal im Ansatz so etwas wie Druck aufgebaut bekam. Es lag an der individuellen Qualität einzelner Spieler, dass unser FC viele Resultate positiv – wenn auch glücklich – gestalten konnte. Stellvertretend hierfür die Siege in Bochum (2:0) und St. Pauli (5:3). Es war einfach kein Zufall, dass in den Spielen gegen die weniger glamourösen Paderborner (3:5), Duisburger (1:2) und Heidenheimer (1:1) zu Hause ein einziger Punkt ergattert werden konnte; in keines dieser Spiele war die Favoritenrolle unseres FC erkennbar, geschweige denn die höhere Kaderqualität.

Am Mittwoch vor dem Spiel gegen Dynamo Dresden saß ich mit Philipp, dem Chefredakteur dieses Magazins, zusammen. Wir unterhielten uns natürlich primär über unseren FC und ich stellte mir dabei wiederholt die Frage, wieso Markus Anfang so stur an seinem 4-1-4-1 festhält, obwohl der Kader in dieser Grundformation auf dem Spielfeld derzeit schlichtweg überfordert ist. Ich fragte, wieso er noch nicht in ein 3-5-2 gewechselt ist, was für diesen Kader logischer ist. „Mensch, das muss er doch als Trainer erkennen!“ waren meine verzweifelten Worte und Gedanken. Und als hätte er unsere Diskussion an jenem Abend mitverfolgt, beschloss Anfang zum Dresden-Spiel seine Grundformation in ein 3-5-2 zu verändern.

Spielsysteme sind relativ. Es ist immer entscheidend, wie ein System auf dem Feld interpretiert wird.

Anfang möchte Dominanz aufbauen, möchte dabei die Flügel nicht hergeben. Im 4-1-4-1 hatte der Gegner jedoch leichtes Spiel diesen Plan zu unterwandern. Der FC stand breit, war im Zentrum jedoch häufig in Unterzahl, da die Mannschaftsteile zum Teil zu weit auseinander standen, und so – wie oben bereits beschrieben, konnte der Gegner sich sehr schnell von den Angriffsversuchen unseres FC befreien. Die technischen Mängel und die fehlenden Ideen im Spielaufbau taten ihr Übriges. Da die Gegner in Liga 2 jedoch regelmäßig über geringere Qualitäten verfügen als unser FC, war es leicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das 3-5-2 für mehr Stabilität und vielleicht sogar für so was wie Dominanz führen würde.

Die Gegner unseres FC greifen regelmäßig mit sehr wenigen Spielern an. Ein vierter Mann in der Defensivreihe ist vom Grundsatz daher eine Verschwendung. Eine Dreierkette hat zudem den Vorteil, dass die Spieler darin näher zueinanderstehen. Die vom Gegner oftmals gespielten langen Bälle zur Überbrückung des Mittelfeldes können so leichter verteidigt werden.

Ein Fünfermittelfeld dagegen ermöglicht es auch weiterhin breit zu stehen und die Flügel besetzt zu lassen, verengt durch den hinzugekommenen Mann jedoch das Mittelfeldzentrum. Für die Gegner ist es hierdurch schwieriger Überzahl zu erzeugen, erst recht, wenn die Angriffe vorsichtig mit wenig aufrückenden Spielern vorgetragen werden. Da es dem Gegner dann nicht mehr allzu häufig gelingen wird, sich durch Vorstöße in der Defensive zu entlasten, wird dieser in der Regel sich sogar einige Meter tiefer in die eigene Hälfte fallen lassen, um wenigstens die Räume so eng wie möglich zu machen. Das Fünfermittelfeld bietet dann die Chance den Gegner in seiner Hälfte „einzukesseln“. Im 4-1-4-1 wird die Dominanz in der Regel spielerisch, mit Tempo, mit Präzision und mit Wucht in den eigenen Aktionen erzeugt. Im Fünfermittelfeld erzeugt man bei tiefstehenden Gegner Dominanz über die Raumaufteilung, die eigenen Schwächen im Aufbauspiel können so gegen qualitativ schwächere Gegner kaschiert werden.

Da der Gegner tiefer stehen und umso bemühter sein wird die Räume eng zu halten, ist ein zweiter Angreifer erforderlich. Im besten Fall ergänzen sich beide Angreifer derart, dass sie sich gegenseitig regelmäßig die Räume öffnen, indem sie für die gegnerische Defensive durch rotierendes Spiel untereinander und durch die Unterstützung der dann offensiv agierenden Außen im Mittelfeld nicht greifbar sind.

Dass die Spiele gegen Dresden (8:1) und in Darmstadt (3:0) dann klar gewonnen werden, war trotz Systemwechsel dennoch nicht zu erwarten, bestätigt jedoch, dass der aktuelle Kader zu diesem System derzeit besser passt.

Und was hat das jetzt mit Football Leaks zu tun?

Markus Anfang wurde zeitweise trotz Tabellenführung zum Teil stark kritisiert. Armin Veh beschrieb die Stimmung im Umfeld so, als wäre man Zehnter in der Tabelle und nicht Erster. Für mich war es ebenfalls unverständlich, wieso Anfang so lange an einem weniger vorteilhaften System festhielt, so dass auch ich die Entwicklung kritisch verfolgt habe. Die Kritik – egal wie berechtigt oder unberechtigt diese auch sein mag – muss jedoch zwingend relativiert werden. Zum Einen ist Anfang noch nicht allzu lange Profitrainer, so dass man ihm auch zugestehen muss Fehler machen zu dürfen. Lernt er hieraus und zieht die richtigen Schlüsse ist doch alles gut, anders funktioniert das nicht. Auch Guardiola hat einst Fehler gemacht, aus denen er dann seine Schlüsse gezogen hat, auch wenn es dabei nicht um Aufstiege ging, sondern gleich um Meisterschaften. Zum Anderen – und jetzt sind wir endlich bei den Lehren aus Football Leaks – der Fußball ist in den letzten Jahrzehnten um ein vielfaches kommerzieller geworden, als wir bislang hätten vermuten können.

Ein Blick in unseren Ligen zeigt, dass die sogenannten Traditionsmannschaften auf einen stark absteigenden Ast sind. Ob Eintracht Braunschweig, TSV 1860 München, Karlsruher SC, 1. FC Kaiserslautern (jetzt alle 3. Liga) oder der ehemals „unabsteigbare“ HSV und nicht zuletzt unser FC (während der HSV erstmals in Liga 2 ist, sind für unseren FC in den letzten Jahren die Auf- und Abstiege leider zu einer Gewohnheit geworden), all diese Traditionsmannschaften leiden unter der starken Kommerzialisierung des Fußballs. Durch die fehlende Öffnung bzgl. des 50+1-Konstrukts (dies spiegelt jetzt nicht meine Meinung wieder, sondern ist ein Fakt, den es festzuhalten gilt) ist es für neue und alte Investoren leichter „Nicht-Traditionsvereine“ neu zu strukturieren und nach oben zu finanzieren (die bislang erfolgreichsten sind RB Leipzig und TSG 1899 Hoffenheim), als sich in Traditionsvereinen zu engagieren, wo die bereits existierenden Strukturen (und an denen traditionell gehalten wird) für einen Investor eher ein Hindernis als eine Chance darstellen (siehe auch die Schwierigkeiten Kühnes beim HSV).

Es ist daher fast schon unerheblich in was für Spielsysteme sich Traditionsvereine bewegen, die kommerziell nicht hinterherkommen, da der sportliche Niedergang letztlich nur verlangsamt wird. Es fehlt schlichtweg am Geld, um sich qualitativ wieder nach vorn zu entwickeln und wieder konkurrenzfähig auf höchstem Niveau zu werden und es dann auch zu bleiben. Und fehlt die benötigte Qualität, kann auch ein noch so guter Trainer wenig ausrichten. Werden wir uns dieser Entwicklungen nicht bewusst, dann wird ein Trainer stets den Preis dafür zahlen, dass in Traditionsvereinen Anspruch und Wirklichkeit immer mehr auseinanderdriften und die Entwicklung würde durch häufige Trainerwechsel auch nicht unbedingt gefördert werden. Wenn ein Trainer, ein Management also nicht klar ein unlösbares Problem darstellen, dann muss die Antwort von daher Beständigkeit heißen. In diesem Sinne

Come on FC!

Ein Kommentar

  1. Kölsche Ziege [philtek]

    Beinahe vergessen. Stimme dem Beitrag fast 100% zu. Mit einer Ausnahme. Aktuell in der zweiten Liga gibt es beim effzeh kein Traditionsverein/Geldproblem. Hier sind wir schließlich das „Bayern München“. Grundsätzlich hast Du aber natürlich recht 🙂
    Gruß
    philtek

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Über den Autor

Antonio Bozza (machiavelli14): Geboren am 31. Spieltag 1974, als der FC im Kampf um einen UEFA-Cup-Platz nicht nur 3:1 in Wuppertal gewann, sondern in einer Liga spielte, in welcher Bayer Leverkusen noch nicht auf der Landkarte erschien und es mit dem Stadtrivalen Fortuna Köln einen prestigeträchtigen Absteiger gab. Erstmals im Stadion am 18.09.1982 als einer von 14.000 Zuschauern beim 2:1-Heimerfolg gegen Werder Bremen und seitdem vom FC-Fieber gepackt...

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