Als mein Sohn nach Ritters Sonntagsschuss in der Nachspielzeit wutentbrannt und wüst auf die Kicker seines Clubs schimpfend das Wohnzimmer verließ, in dem wir recht zufrieden und emotional gerührt zuvor fast 80 Minuten des FC-Spiels in Paderborn gesehen hatten, da wusste ich: Es wird ernst!

Nicht nur, was den Aufstieg meines Clubs zurück in Liga eins angeht, nein, auch was die Geduld meines Sohnes angeht. Seit mittlerweile ziemlich genau 8 Jahre versuche ich das, was mich mit diesem Verein verbindet an meinen Sohn weiterzugeben. Viel zu oft erzählen mir befreundete Väter, dass ihre Kinder dem offensiven Werben vermeintlich erfolgreicherer Vereine des Kölner Umlandes erlegen sind – allein diese Vorstellung raubt mir den Schlaf und genau aus diesem Grund macht mich das Spiel gegen Paderborn so wahnsinnig.

Alles im Griff gehabt, bis zur 80. Minuten war alles gut. Und dann dieser unerklärliche Einbruch, der ja nicht zum ersten Mal in dieser Saison zu beobachten war. Wie konnte es zu dieser Niederlage kommen und was muss passieren, damit das Saisonziel Aufstieg nicht noch in Gefahr gerät?

Die Gründe für diese (und auch andere) Niederlage(n):

1. Einfach aufgehört, Fußball zu spielen

Die Mannschaft hört im Gefühl des sicheren Sieges auf, Fußball zu spielen. Keine Zweikämpfe werden mehr angenommen, völlig unerklärliche Ballverluste in der Vorwärtsbewegung, ohne dem verlorenen Ball nachzugehen. Hohe Bälle, anstatt -bei einer Führung mit zwei Toren logisch – auf Ballbesetz zu setzen und Ruhe ins Spiel zu bringen.

‚ 2. Standardschwäche

Nach wie vor gab es unerklärliche Schwächen bei Standards. Das Tor zum 1-2 Anschlusstreffer fällt in 99 von 100 Bezirksligaspielen nicht, weil man gegnerische Spieler am Fünfmeterraum deckt oder zumindest versucht, am Torschuss zu hindern. Normalerweise ist der FC in der Luft bei Freistößen und Ecken anfällig, jetzt also auch noch am Boden! Schlimm und bedenklich zugleich.

ƒ 3. Systemfehler

Ich komme nicht drum herum, noch einmal über das vermeintliche Spielsystem des Systemtrainers Markus Anfang zu schreiben. Ich erkenne nach wie vor kein System. In Paderborn hat der FC zwar seit langer Zeit einmal wieder ein Systemmerkmal versucht umzusetzen, aber das hohe konsequente Pressing führte auch oft zu unfassbaren Lücken im Mittelfeld, die Paderborn schon in der ersten Hälfte effektiver hätte nutzen können.

„ 4.Torwart

Sicherlich sind die beiden Tore, die danach noch fielen, auch ein wenig glücklich gewesen, aber ein Timo Horn in Normalform hält zumindest den Treffer zum 3-2 ganz entspannt. Warum er bei diesem Angriff nicht im Fünfmeterraum, sondern am Elfmeterpunkt auf die Flanke lauert, wo er doch sonst bei jeder Hereingabe auf der Linie klebt, verstehe ich nicht! Timo Horn hat sich im letzten Jahr nicht weiterentwickelt. Er ist nach wie vor ein guter Torwart, aber an seinen Schwächen (Herauslaufen, Abfangen hoher Bälle) scheint niemand mit ihm gearbeitet zu haben. Das ist unverständlich.

Was ist zu tun?

Wenn man sich die Gründe der Pleite von Paderborn einmal genauer anschaut, dann wird sehr schnell klar, wie der FC nun handeln muss und wer die Hauptverantwortung trägt:

Warum hört die Mannschaft auf Fußball zu spielen? Das scheint eine Einstellungssache zu sein, vielleicht auch Überheblichkeit oder auch taktisches Unvermögen. Wer ist dafür verantwortlich? Ja, auch die Spieler selbst, aber es gibt jemanden, der dafür bezahlt wird, dass die Spieler funktionieren und genau diese Verhaltensweisen nicht zeigen!

Warum gibt es immer wieder diese unerklärlichen Fehler bei den Standards? Markus Anfang sagt, man kann Standards nicht trainieren, weil sie in Wettkampfsituationen anders bewertet werden müssen, als im Training. Da ist etwas dran, aber es gibt auch so etwas wie Automatismen, die sich dann einstellen, wenn man etwas regelmäßig übt. Wir haben große, kopfballstarke Spieler im Team, die zumindest hohe Standards besser verteidigen könnten, als dies in den letzten Spielen der Fall war. 16 Gegentore nach Standards sprechen eine eindeutige Sprache.

Über das Spielsystem wurde viel geschrieben und auch ich hatte gehofft, dass Markus Anfang darüber nachgedacht hat, sein System anzupassen. Der Trainer selbst sagt, dass „unser System vielleicht von den Gegnern entschlüsselt“ worden ist. Wenn dem so ist wäre es doch gut, aus einem bestimmten Repertoire an Spielideen schöpfen zu können und den Gegner mit einem System zu überraschen, welches noch nicht entschlüsselt ist. Anfang ist hier zu unflexibel und die Mannschaft kann auf Spielstände oder Ausfälle nicht situativ reagieren. Sie verfällt dann in eine Art Schockstarre und muss solche 10 Minuten wie in Paderborn mehr oder weniger hilflos über sich ergehen lassen.

Timo Horn ist Teil der Mannschaft und hat dem FC schon so manchen Punkt beschert bzw. gesichert, ist momentan aber ebenso nicht von der Kritik auszunehmen, wie alle anderen FC-Spieler auch. Dem Trainerteam sollte nicht entgangen sein, dass auch ein sehr guter und mittlerweile erfahrener Torwart wie Timo Horn verunsichert scheint und offensichtliche Schwächen durch gezieltes Training in den Griff bekommen.

Die Ausreden nach dem Abpfiff wie „unglücklich verlorenes Spiel“ und „2 Sonntagsschüsse“ sind zwar unmittelbar nach einem solch dramatischen Spiel verständlich, werden aber auch nach einer gezielten Analyse nicht relativiert. Auch das Gerede von einer starken zweiten Liga, in der jeder jeden schlagen kann geht mir auf den Keks. Armin Veh selbst bezeichnet den FC als das stärkste Team der Liga und es entspricht nicht den Ansprüchen und schon gar nicht den Saisonzielen, wenn man nach etwas mehr als der Hälfte der Saison 6 Niederlagen vorzuweisen hat und davon 2 gegen einen Aufsteiger und eine weitere zu Hause gegen den damaligen Tabellenletzten aus Duisburg.

Es ist Zeit zu handeln, denn die Mannschaft ist dabei, den Aufstieg zu verspielen. Was das bedeuten würde, sollte jedem klar sein. Ein weiteres Jahr in Liga zwei würden sich wohl die wenigsten der im letzten Jahr noch so treuen Spieler antun. Die Mannschaft würde auseinanderbrechen, ein Verbleib in Liga zwei für weitere Jahre wäre wahrscheinlich.

Daher: Ein Plädoyer für die gute Veh!

Er muss Trainer Anfang freistellen und selbst bis zum Saisonende auf die Trainerbank. Nicht, weil er mein Wunschtrainer ist und die ideale Besetzung des Postens auf Dauer wäre. Aber er ist die ideale Besetzung für den Moment, weil er die Mannschaft sehr gut kennt und aus Mangel an Alternativen der einzige Trainer ist, der für den Job in Frage kommt. Man gucke sich nur an, wie die Neururers, Matthäusse, Effenbergs und Gisdols förmlich darauf lauern, den Posten bei einem Verein wie dem FC zu besetzen. Und dann Gnade uns der Fußballgott!

Nein, Armin Veh, bitte übernehmen, parallel einen neuen Trainer suchen und den nach dem Aufstieg präsentieren. Come on FC – noch ist es nicht zu spät!

 

3 Kommentare

  1. Kölsche Ziege [philtek]

    Habe es Dir ja schon persönlich gesagt. Was Anfang angeht, sind wir uns einig.
    Aber aus meiner Sicht sollte ein Sportdirektor kein Trainer werden. Sonst bekommt das Ganze so einen Rangnick-Style. Das kann aus meiner Sicht nicht gutgehen.
    Vielleicht wäre Manfred Schmid ja eine Übergangslösung.
    Einen schönen Gruß
    philtek

    Antworten
    • Alex

      Ich hoffe einfach auf 9 Punkte aus den kommenden 9 Tagen und dann hat es sich hoffentlich wieder beruhigt. Falls nicht, dann wird’s wohl dem Anfang sein Ende sein… (tut mir Leid, konnte nicht widerstehen: Phrasenschwein!) 😀

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  2. Büb

    Habe es dir ja schon persönlich gesagt, der Schmidt war noch nicht in der Trommel! Aber es gibt keine Alternativen!
    Wenn der FC am Samstag gewinnt, gut! Wenn er verliert ist Anfang weg! Weiß im Moment nicht, was ich präferiere!

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Über den Autor

Christoph Braunisch (buebster): Geboren genau 14 Jahre und einen Tag nach dem großen Pierre Littbarski und ausgerechnet in dem Jahr, in dem die A-Junioren des 1.FC Köln die erste von insgesamt drei Vizemeisterschaften feiern konnten. Seitdem FC-infiziert und bei fast allen Heimspielen live am Start und bei Auswärtspartien meganervös vor dem Fernseher. Im Übrigen genau wie diverse große FC-Torhüter während des Sportstudiums vom großen Quäler Rolf Herings gepeinigt.

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