Es begann eine wunderbare Zeit. Der ETSC stieg unter Flohe von der Bezirksliga(?), bis durch in die Verbandsliga auf. Nur zur Erklärung, das war damals die 4. Liga. Die Kreis-Bezirks-und Landesligen waren damals wesentlich größer, weil damals noch jedes kleine Kaff einen Verein hatte. Verbandsliga war für den kleinen Kreis Euskirchen schon sensationell. Flohe installierte in der Verbandsliga quasi Profibedingungen, forderte viel von seinen Spielern. Viermal die Woche wurde trainiert! Und ich sah zu, dass ich so oft wie möglich mit konnte, so fern ich nicht selber zum Training oder Spiel musste! Ich durfte überall mit hin. In die Kabine, bei den Ansprachen und so weiter. Herrlich! Für die anderen Spieler war ich eine Art Maskottchen. Ich erlebte diesen Mann aus der nächsten Nähe. Einmal, als ich wie immer neben dem Trainingsplatz bolzte oder mit dem Ball jonglierte, während die Mannschaft trainierte, kam Flohe zu mir:
Jung, maaach datt nit!
Ich fragte erschrocken, was er meinte!
Du kuckst die janze Zeit auf den Ball! Datt is zu wenisch! Der Ball läuft Dir nitt weg! Jeff her!
Ich spielte ihm den Ball zu. Er hatte natürlich Recht. Ich war damals ein „Kopf-nach-unten-und-immer-auf-den-Ball-Gucker“. Heinz Flohe nahm den Ball und jonglierte ihn vor meiner Nase von einem Bein zum anderen. Schulter, Kopf, Knie, wieder Bein usw. Aber er sah mir dabei in die Augen! Ich war verblüfft. Er sagte:
Die Mitspieler und Gegenspieler musst Du genauso im Auge behalten! Mach die Augen zu!
Und er schloß die Augen und jonglierte den Ball, als wäre es nichts!
Jung, Du musst datt Bällsche föööhle!
Baaaamm! Ich bin mir nicht sicher. Es könnte an meiner kindlichen Bewunderung gelegen haben, aber ich glaube, ich habe in diesem Moment einen Heiligenschein gesehen! Nein, im Ernst! Solche Dinge erlebte ich in dieser Zeit andauernd. Aber genau so sehr sog ich alle seine Zitate, seine Weisheiten auf, seinen Ansprachen an das Team, wie er abgehobene Spieler auf den Boden der Tatsachen holte, wie er geknickte Jungs razzfazz wieder aufrichtete! Wie er scheinbar übermächtige Gegner mittels zwei oder dreier Sätze winzig klein erschienen ließ. Natürlich auch viele Dinge, was Taktik etc. anging. Allerdings muss ich gestehen, dass so etwas in dem Alter noch fremd für mich war. Und viele der Dinge, die ich von Flohe hörte, verstand ich erst sehr viel später!
Die Flohes wurden Freunde der Familie. Als Flohe unter Engels in den 90ern Co-Trainer wurde, übernahm mein Dad kleinere Pöstchen beim FC und ist seit etwa 95 Angestellter. Später als Betreuer der U21 unter Engels. Flohe musste gesundheitsbedingt kürzer treten (erste Herz-OP) und nahm vom Fußball Abstand.
Mein Dad blieb wie gesagt beim FC, lernte Overath besser kennen und auch die beiden freundeten sich an. Ebenso eine Ikone wie Flohe. Die zweite Legende, die ich dann kennen lernen durfte! Overath war für mich noch eine Nummer größer. Aber zu ihm gab es nie diesen persönlichen, herzlichen Draht. Nicht, dass man mich falsch versteht. Auch Overath weiß Freundschaften zu schätzen und zu pflegen, reduzierte das aber auf meinen Dad. Mir persönlich half er nach dem 11.9.2001, als die Arbeitslosigkeit galoppierte, einige Male und besorgte mir in meiner Not eine Arbeitsstelle. Aber er verstand es stets, seinen Habitus zu wahren und behielt eine, sagen wir mal, aristokratische Distanz aufrecht. Er würde mir nie im Leben das „Du“ anbieten, obwohl er und mein Dad einiges erlebt haben.
Flohe war anders, lehnte jedes Interview ab, ging trotz wiederkehrender Einladungen nie ins Sportstudio. Er vergnügte sich lieber mit dem „gemeinen Volk“. Und es war stets großartig, wenn er in Euskirchen auf dem Marktplatz in der Eisdiele „Hof hielt“. Immer saß mindestens ein Dutzend Menschen um ihn rum und er erzählte Geschichten aus der alten FC-Zeit, von den Länderspielreisen oder Sauftouren mit Tünn, Preben-Elkjaer Larsen u.a. Unglaublich!
Ich habe es geliebt. Ein Mensch, der nie mit seinem Schicksal haderte, weil er gesundheitliche Probleme hatte. Immer positiv. Und bis zuletzt trug er seinen, unseren FC ganz tief im Herzen! Er wusste stets über alles Bescheid, konnte immer alles perfekt einschätzen!
Er hat den FC bis zum Schluss gelebt! Und geliebt!