Die neue Saison beginnt für unseren FC spannend und emotional wie die letzte Saison endete.
Emotional begann die Saison mit dem Auswärtsspiel (und m. E. richtungsweisendem Spiel) beim ewigen Rivalen Borussia Mönchengladbach und ein „oh nein“ konnte ich mir nicht nur beim Ergebnis von 0:1 verkneifen, sondern auch beim Auslosungsergebnis für die 2. Runde im DFB-Pokal. Ein Auswärtsspiel bei der Hertha? Es hätte besser laufen können, danke an dieser Stelle an Carolin Kebekus.
Inwiefern ist das Spiel in Mönchengladbach nun richtungsweisend gewesen?
In meiner Abschlussanalyse zur letzten Saison schrieb ich unter anderem: „Wenn die kommende Spielzeit nicht in Ernüchterung übergehen soll, dann sollte dringend an der Passgenauigkeit und dem eigenen Spielaufbau gearbeitet werden.“ Und weiter: „Zudem sollte im Hinblick auf die kommende Dreifachbelastung der Kader qualitativ erweitert werden.“ Der Abgang von Modeste war hierbei bereits mit einkalkuliert worden.
Die Antwort des FC auf die gezeigten Schwächen der Vorsaison sowie auf die kommende Dreifachbelastung waren auf dem Transfermarkt: Tim Handwerker (Jahrgang 1998), Jorge Meré (1997), João Queirós (1998), Nikolas Nartey (2000), Jhon Córdoba (1993) und Jannes Horn (1997). Ein gefühlter Neuzugang dagegen ist nach seinem verletzungsbedingten Ausfall Sehrou Guirassy (1996).
Um es vorneweg zu nehmen: Die Neuzugänge sind spannend, aber helfen diese auch sofort weiter?
Mit Ausnahme von Córdoba für Modeste ist der erste Anzug praktisch gleichgeblieben. Die Neuverpflichtungen sind primär eine Investition für die Zukunft. Bis auf Córdoba verfügt keiner der genannten Spieler über ausreichend Erfahrung im Profibereich, um sofort weiterhelfen zu können. In ihren vorherigen Vereinen haben sie eine altersgerechte Rolle eingenommen. Sie waren schlichtweg Perspektivspieler, die langsam herangeführt werden mussten. Talentiert sind diese Spieler zweifelsohne, aber keiner war schon so weit, gleich eine tragende Rolle in ihren jeweiligen Vereinen einzunehmen. Folglich wäre es falsch allzu viel von ihnen für die soeben begonnene Saison zu erwarten. Ich hoffe, dass jeder einzelne dieser Spieler sofort einen Schritt nach vorne macht und unserem FC schon in dieser Saison weiterhelfen wird, aber dies von ihnen gleich zu erwarten wäre jedoch falsch. Wenn man diese Spieler holt, dann muss man ihnen grundsätzlich die Zeit geben und in kauf nehmen, dass sie möglicherweise noch nicht sofort weiterhelfen werden.
Und da wären wir auch schon bei der Krux in dieser Saison.
Überraschen uns die Youngster nicht auf Anhieb positiv ergeben sich zunächst nachfolgende Fragestellungen:
Kann Córdoba Modeste und dessen Effizienz kompensieren?
und
Konnten oder können die Schwächen aus der letzten Saison abgelegt werden?
Zur ersten Frage: Nein. Positiv ist, dass Córdoba ein robuster und auch zweikampfstarker Spieler ist, bei dem die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Negativ ist dagegen seine fehlende Ruhe vor dem Tor. Er mag nicht die Effizienz eines Modestes haben, aber er könnte bessere Ergebnisse erzielen, wenn er lernt die nötige Ruhe vor dem Tor zu bewahren. Sei es, dass er dadurch den besser postierten Nebenmann nicht aus dem Blick verliert, sei es, dass er zu einem besseren Abschluss kommt. Die Effizienz Modestes wird unserem FC fehlen. Córdoba ist jedenfalls noch nicht so weit.
Kommen wir somit zur zweiten Frage: Auch hier ist mein Urteil negativ. Sowohl den Testspielen als auch den ersten zwei Pflichtspielen nach zu urteilen gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Probleme im Spielaufbau behoben worden sind oder behoben werden können; weder personell noch spielerisch. Der FC hat niemanden im Kader, der diese Probleme im Mittelfeld lösen könnte. Noch ist das Transferfenster ein paar Tage lang geöffnet, so dass die Hoffnung bleibt, dass auf den letzten Drücker noch jemand für den Spielaufbau geholt wird, aber im Moment sind wir hier m. E. nicht gut aufgestellt. Nach den ersten Eindrücken zu Saisonbeginn frage ich mich zudem, ob Matthias Lehmann bald zum Problem werden könnte. Ich hoffe, dass er zurzeit einfach nur noch nicht seine Form gefunden hat und sich die ersten Eindrücke daher schnell auflösen werden, aber wenn nicht und er in dieser Saison (vielleicht altersbedingt?) an seine Grenzen stoßen sollte, dann wird sich zwangsläufig ein weiteres Problem auf der 6er-Position auftun.
Die daraus folgende Fragestellung ist dann, inwieweit eine geringere Effizienz in dem Ausspielen und in der Verwertung von Chancen sowie eine Fortsetzung der Probleme aus der Vorsaison in Sachen Passgenauigkeit und Spielaufbau das Spiel unseres FC beeinflussen.
Geht die Effizienz vorne verloren und bleibt der Spielaufbau langsam und unpräzise, dann wird die Saison ganz unabhängig von der Dreifachbelastung sehr stark von der defensiven Stabilität abhängig sein. Auf Dauer wird die „Null“ jedoch nicht stehen und zu hoffen, dass da vorne mal der eine oder andere Ball schon reingehen wird, ist zu wenig. Sollte sich meine Befürchtung um Lehmann und die 6er-Position zudem bewahrheiten, dann wird sehr viel defensive Stabilität verloren gehen, Jonas Hector wird die daraus resultierenden Lücken nicht alleine stopfen können. Und geht die defensive Stabilität erstmal verloren, dann wird der FC hierdurch leichter und stärker unter Druck gesetzt werden, der Gegner wird zu mehr Torchancen kommen, der FC wird häufig tiefer stehen als beabsichtigt und die eigenen Wege zum gegnerischen Tor werden länger. Zudem besteht die Gefahr, dass die Mannschaftsteile auseinandergerissen werden und die Balance verloren geht. Eigene Torchancen sind dann noch schwieriger zu erspielen und fehlt es dann an der Effizienz in der Verwertung dieser Chancen, werden die Schwächen nicht aufgefangen werden können, wie dies in der letzten Saison immer mal wieder der Fall war.
Fazit: Unserem FC steht ein Übergangsjahr bevor, von dem viel Zukunft auf dem Spiel steht. Der FC sollte stark genug sein, um nicht in akute Abstiegsgefahr zu geraten, aber mehr als Platz 10-12 und ca. 40 Punkte wird es nicht werden. Geht die Rechnung des FC auf und die Perspektivspieler entwickeln sich weiter, dann wird der FC schon zur übernächsten Saison sowohl finanziell als auch sportlich die Früchte hieraus tragen. Dann wäre die Transferpolitik dieses Sommers zwar riskant, aber genial. Geht die Rechnung jedoch nicht auf und diese Spieler bleiben hinter den Erwartungen, dann besteht allerdings die Gefahr, dass zur übernächsten Saison für die sportliche Weiterentwicklung wieder andere Spieler benötigt werden, die dann schwerer zu finanzieren sein werden, wenn die eigenen Perspektivspieler ihre Marktwerte nicht bedeutend haben steigern können, woraus bedeutende Transfererlöse generiert werden könnten. Und ohne Perspektive auf die sportliche Weiterentwicklung droht der Abgang von weiteren Leistungsträgern. In diesem Falle wäre die diesjährige Transferpolitik riskant und fahrlässig, da resultierend aus dem 5. Platz und Modestes Verkauf höhere finanzielle Mittel aus TV und Transfererlösen zur Verfügung standen, um neben den Perspektivspieler noch ein- bis zwei erfahrenere Spieler zu holen, die die Probleme im Mittelfeld hätten beheben können. Im Ansatz steht also ein schwieriges Jahr vor unserem FC. Wir sollten die Erwartungen daher zurückschrauben und die kommende Saison als Übergangsjahr begreifen, in welchem die Weiterentwicklung der Spieler im Vordergrund stehen sollte. Der Tabellenplatz – solange wir nicht gegen den Abstieg spielen – sollte dabei zweitrangig sein. Genießen wir also die Europa League als Ablenkung vom Alltag und lasst uns hoffen, dass die diesjährige Transferpolitik sich am Ende als genial erweist…
In diesem Sinne, come on FC!
Foto: Herbert Bucco / upgradecologne.de