Am Ende einer nicht nur sportlich, sondern auch gefühlt erfolgreichen Saison ist jede Analyse fast schon zum Scheitern verurteilt. Zu leicht ist es zu loben, zu vermessen oder zuweilen gar unglaubwürdig klingt jede Form der Kritik, wenn man doch gerade nach schier endlos erscheinenden 25 Jahren die Qualifikation für den Europapokal geschafft hat. Die Saison war daher ein Erfolg, Punkt, Aus! Jeder Fan in der Stadt ist im Moment einfach nur glücklich. Niemand hat wirklich Lust, sich diesen Moment durch kritische Artikel verderben zu lassen und auch ich verspüre im Moment keine allzu große Lust über die Dinge zu schreiben, in denen unser FC Rückschritte gemacht hat bzw. die verbesserungswürdig erscheinen. Auf diese Dinge kann man getrost auch zu einem späteren Zeitpunkt konkret und kritisch eingehen. Daher wähle ich diesmal einen anderen Weg und
beleuchte sachlich einige Thesen zur FC-Saison, die im Rückrundenverlauf von einigen Medien erstellt wurden. Thesen, die in Fan-Gesprächen auch regelmäßig aufgenommen und diskutiert wurden, wie ich selbst oftmals erlebt habe.
- Der FC hat Probleme im Spielaufbau
Ein effizienter Spielaufbau zeichnet sich durch Passgenauigkeit, Variabilität und Handlungsschnelligkeit aus. Ein Blick auf die Passquote verrät, dass unser FC in 22 von 34 Spielen lediglich auf eine Passquote von unter 75% kam. 9x lagen die Werte des FC gar unter 70% mit dem negativen Höhepunkt in der Rückrunde in Ingolstadt, als der FC gerade mal auf eine Passgenauigkeit von 61% kam! Nur in 8 Spielen hatte der FC eine bessere Passquote als sein jeweiliger Gegner, fast ausschließlich handelte es sich dabei um Abstiegskandidaten (2x Darmstadt, 2x Augsburg, 1x Mainz, 1x Ingolstadt, 1x HSV). Zum besseren Verständnis: Spitzenteams bewegen sich konstant bei ca. 85-91% Passgenauigkeit, durchschnittlich gute Teams bewegen sich konstant um die 75%.
Daher: Ja, die These stimmt!
- Der FC spielt eher destruktiv als konstruktiv
Ins Auge fallen die Fehlpass- und die Zweikampfwerte. Der FC ging 22x mit weniger Fehlpässen vom Platz als sein jeweiliger Gegner. In den restlichen 12 Spielen waren die Fehlpass-Werte ausgeglichen oder nur äußerst knapp zu Ungunsten des FC. Was die Zweikampfquote anbelangt: Auch hier hatte der FC in 22 Spielen eine bessere Zweikampfquote als sein jeweiliger Gegner. Nur 4x verlor der FC dabei. Dagegen ging der FC nur in 3 Spielen ungeschlagen vom Platz, wenn die eigenen Zweikampfwerte negativ waren. Hatte der FC also eine bessere Zweikampfquote war er für alle Gegner schwer zu bespielen bzw. zu schlagen. Beide Werte zusammen sowie die in Punkt 1 beschriebene geringe Passgenauigkeit verdeutlichen, dass der FC ein wesentliches Augenmerk darauf gelegt hat, dem Gegner „den Schneid abzukaufen“ und zu Fehlern zu zwingen. So stehen im Vergleich zum Gegner eine schlechtere Passgenauigkeit und die besseren Fehlpasswerte nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergeben eine Logik: Unser FC war primär darum bemüht das Spiel des Gegners zu zerstören, als selbst das Spiel zu machen.
Daher: Ja, die These stimmt!
- Das Spiel des FC ist zu langsam
Die schwache Passquote sowie die destruktiv ausgerichtete Spielweise unseres FC führten zwangsläufig zu einem geringen Grundtempo. Das eigene Spiel wurde primär durch das Umschaltspiel beschleunigt, welches wiederum vom Verhalten des Gegners abhing, ob dieser dem FC die entsprechenden Lücken bot oder eben nicht. Das eigene Spiel ist jedoch zu langsam. Eine bessere Passquote hätte dem eigenen Spiel sicher mehr Tempo verliehen.
Daher: Ja, die These stimmt!
- Der FC spielt effektiv
War die Chancenverwertung in den Vorjahren noch ein Problem, war sie dieses Jahr eine Stärke. Nach Werder Bremen hatte unser FC die zweitbeste Chancenverwertung in der Liga gehabt. Primär trägt diese Effizienz einen Namen: Anthony Modeste. Wo wäre der FC ohne seine Kaltschnäuzigkeit gelandet? Hätte dies für Europa gereicht? Ich denke nicht und das dachten wohl auch die Verantwortlichen, als sie im Winter auf viel Geld verzichteten und Modeste nicht nach China transferierten, weil sie ebenso wussten, dass es ohne seine Tore schwer werden würde in der Rückrunde den Europa-Traum zu realisieren. Und einen adäquaten Ersatz findet man auch nicht ohne Weiteres in jeder Ecke. Ein Verkauf von Modeste in diesem Sommer würde für die kommende Saison jedenfalls eine schmerzhafte Lücke aufreißen; denn ohne diese Effizienz vor dem Tor wird es schwerer fallen, die spielerischen Defizite zu kompensieren. Letzte Saison fielen diese Defizite selten ins Gewicht, weil am Ende das Ergebnis stimmte.
Daher: Ja, die These stimmt!
- Der FC ist physisch nicht auf der Höhe
Der reine Blick auf die Lauf-Statistik verrät, dass unser FC die geringste Laufleistung aller Bundesligisten in der Saison erbracht hat. Das ist überraschend. Geringere Laufleistungen sind eher von Spitzenteams zu erwarten, die letztlich Ball und Gegner laufen lassen. So verwundert die geringe Laufleistung der Bayern nicht, die des FC dagegen schon. Der Grund für die „schwache“ Laufleistung liegt jedoch nicht im physischen Bereich begründet, sondern ist vielmehr dem geschuldet, wie der FC an die Spiele herangegangen ist. Der FC wartete meist defensiv ab, bot dem Gegner wenig Raum und setzte selbst auf ein schnelles Umschaltspiel. Vielen Spielen wurde so jedoch das Tempo genommen, so dass vieles behäbiger von statten ging, was auf 90 Minuten zu einer geringeren Laufleistung geführt hat. Als der FC zum Ende der Saison hin gezwungen war in den Spielen mehr zu agieren, anstatt zu reagieren, konnte er die mannschaftliche Gesamt-Laufleistung um sage und schreibe bis zu 12 Kilometer erhöhen (waren es am 14. Spieltag gegen Dortmund noch 104,78 Km Laufleistung, so kam der FC bspw. am 27. Spieltag gegen Frankfurt auf 117,02 Km). Diese Steigerung der Laufleistung sowie die Tatsache, dass der FC 22x bessere Zweikampfwerte als der Gegner aufweisen konnten sprechen für eine gute körperliche Verfassung.
Daher: Nein, die These stimmt nicht!
- Der FC hat sich taktisch weiterentwickelt
Die von OPTA erfassten Laufwege der Spieler haben zwar gezeigt, dass unser FC sich auch weiterhin im 4-4-2 am wohlsten fühlt (17x angewandt), jedoch wurden auch unterschiedliche Systeme mit Dreier-Abwehrkette oder verschiedene Varianten eines Fünfer-Mittelfeldes oder eine Dreierreihe hinter der einzigen Sturmspitze oder auch mal mit 3 Stürmern gespielt oder auch nur mit einem Sechser. Neben dem 4-4-2 hat der FC 7 weitere Spielformationen auf den Platz gelegt, was darlegt, wie flexibel sich der FC in der letzten Saison taktisch präsentiert hat. War vor der letzten Saison die fehlende taktische Variabilität noch ein Problem, so scheint dieses Problem nun behoben zu sein. Das eine oder andere System wirkte zwar noch nicht so eingespielt, aber der Schritt in die richtige Richtung wurde mit Erfolg getan.
Daher: Ja, die These stimmt!
- Der Kader ist zu dünn besetzt
Unser FC hatte in der letzten Saison einige verletzungsbedingte Ausfälle zu verkraften. Dies hat zwar in einigen Fällen zu einem Substanzverlust geführt, jedoch konnten diese Ausfälle weitestgehend aufgefangen werden. Der Kader war demnach nicht zu dünn besetzt, sondern gemessen an den wirtschaftlichen Möglichkeiten anderer Vereine gar optimal zusammengesetzt. Für nahezu jede Position gab es mehrfache Alternativen, sei es, ob es sich um Talente wie Klünter oder bereits um bundesligaerprobte Spieler gehandelt hat. Wäre es anders, hätte der FC dies nicht kompensiert bekommen.
Daher: Nein, die These stimmt nicht!
Gesamtfazit: Der FC hat seine spielerischen Defizite durch Effizienz vor dem Tor und durch die neu gewonnenen taktischen Möglichkeiten, die in erster Linie auf das Zerstören des gegnerischen Spiels ausgelegt waren, weitestgehend kompensiert bekommen. Dank der hausgemachten Probleme bei qualitativ stärker besetzten Teams wie VfL Wolfsburg, FC Schalke 04, Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach mündete dies gar in eine Rückkehr nach Europa! Wenn die kommende Spielzeit nicht in Ernüchterung übergehen soll, dann sollte jedoch dringend an der Passgenauigkeit und dem eigenen Spielaufbau gearbeitet werden. Nur so lässt sich im Übrigen auch ein möglicher Rückgang einer effektiven Chancenverwertung auffangen. Man sollte nicht darauf setzen, dass die eigenen Angreifer grundsätzlich eine überragende Verwertung haben werden, ob diese nun Modeste oder anders heißen. Zudem sollte im Hinblick auf die kommende Dreifachbelastung der Kader qualitativ erweitert werden. Denn nur eine Rotation ohne bedeutenden Qualitätsverlust sowie eine Kadergröße, die diese Rotation auch bei Verletzungen ermöglicht, versprechen europäische Festtage ohne am kommenden Wochenende mit einem Kater aufzuwachen.
In diesem Sinne,
Come on FC!
Foto: © Herbert Bucco / upgradecologne.de