Die neue FC-Welle?
Bitte lieber Express, was soll das denn sein?
So viel Hoffnung schöpfen erfahrene FC-Fans sicher noch nicht. Vielmehr wissen sie: Die Kölner Boulevard-Presse startet den planmäßigen Euphorieaufbau.
Und das geht so: Rechtzeitig vor Beginn der Saison wird über die Qualitäten bisher gänzlich unbekannter neuer Spieler gemutmaßt, eine gute Stimmung im Kader vermutet und wenn – so wie jetzt – ein neuer Trainer da ist, dessen Kompetenz für einen Neuaufbau herausgestellt.
Lieber nicht wird gesprochen über das Wagnis, in das sich der Verein mit der Verpflichtung des in Deutschland völlig unerfahrenen Trainers begeben hat. Das passte nicht zur Phase: Hoffnungen schüren ist angesagt. Und damit auch: Erwartungen hochschrauben. Offensive Spielweise, die Gegner vom Start weg dominieren, Aufstieg…
Hoffnung verkauft Auflage. Und ist die Erwartungshaltung in der Stadt erstmal schön hochgezüchtet, lässt sich ein Scheitern später umso schöner niedermachen. Wahlweise kann schon nach einem Fehlstart oder erst bei späteren Niederlagenserien losgedroschen werden. Das haben die Leute vom Boulevard schon im Kopf, wenn sie so anfangen.
Als FC- Fan wünschte man sich, dass Potentiale vielmehr realistisch eingeschätzt und Risiken vernünftig bewertet würden – aber das liest sich nicht so schön, bringt keine Auflage und vor allem: Es passt nicht in die Dramaturgie.
Nichts wäre für den Kölner Sport-Teil der Bild und die anderen blöder, als Ruhe im Verein.
Das ist langweilig und verkauft sich schlecht.
Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Man kann dem Boulevard nicht vorwerfen, hier entgegen dem kölschen Wesen zu agieren. Im Gegenteil. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt liegt den Kölschen im Blut. Und zum Glück leben wir in einem Land, in dem die Presse frei ist zu schreiben, was sie denkt. Trotzdem nervt dieses ewige Spielchen alle, die die Folgen kennen: Weniger als andere Vereine ist man beim FC in der Lage, ruhige Fahrwasser zu erreichen. Regelmäßig darf sich der Rest der Republik auf Theater in Köln freuen. Das ist ein Jammer.
Schlimm ist: Der Verein muss das Spiel mitmachen. Sich gut halten mit den Verlagshäusern. Denn ihre Meinungsmacht ist groß, durch mangelnde Kooperation die Verlage vergrätzen wäre nicht klug. Der Verein profitiert davon. Volle Stadien in der zweiten Liga sind auch durch die Euphoriemaschine der Blätter mit der großen Schrift zu erklären. Die Kooperation findet auch gar nicht im Verborgenen statt. Verlage dürfen auch Sponsoren sein – und durften im Falle M. DuMont Schauberg (Kölner-Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau und Express) den FC sogar im Verwaltungsrat beraten – bis die FC-Mitglieder kürzlich diesen Interessenskonflikt beendeten. Gut gemacht!
Letztes Jahr war es übrigens seltsam ruhig. Als Stanislawski ging und von ihm zu lesen war, unter anderem sei auch der öffentliche Druck ausschlaggebend gewesen, rieben sich manche die Augen: Das haben wir schon ganz anders erlebt. War es der Bonus der Sympathiefigur Stanislawski, dass man ihn so ruhig arbeiten ließ?
Jetzt läuft die Maschine jedenfalls wieder an. Und wenn es dem Boulevard zu langweilig wird, dann bringt er ein bisschen Unruhe rein.
Und jetzt schüren wir mal Hoffnung: Vielleicht war das letzte Jahr doch der Beginn eines Stilwechsels im Kölner Boulevard.
Foto: © Kölsche Ziege [lecoqsportif]
P.S Kleiner Nachtrag: Der Beitrag wurde vor dem ersten Spiel geschrieben, doch geändert hat sich seitdem eigentlich nichts. Weder hat sich der 1.FC Köln durch einen Kantersieg zum neuen Megasupertopfavoriten gemausert, noch hat er versagt. Das 1:1 war zwar etwas unglücklich, aber auch kein völlig unrealistisches Ergebnis. Und wer weiß, vielleicht ermöglichen die zwei verlorenen Punkte letztlich intern wie extern einen ruhigen Saisonstart. Und das wäre in Köln schon eine Menge wert.