Mit anderen Worten. Der 1. FC Köln hatte mich mit Hilfe eines riesenhaften Asipredigers endgültig bekehrt. Soviel steht ohne jede Frage und ohne jeden Zweifel fest. Ansonsten scheint mir meine Erinnerung doch den einen oder anderen Streich zu spielen. Ich war zum Beispiel sicher, dass der 1. FC Köln ein torreiches Spiel knapp aber hochverdient am Ende gewann. Ob es ein 3:2 oder ein 4:3 war, hätte ich jetzt nicht beschwören können.
Tatsächlich endete das Spiel mit einem müden 1:0, das von Thomas Allofs erst in der 89. Minute per Handelfmeter geschossen wurde. Und damit unglaublicherweise neun Minuten vor dem Schlusspfiff, denn der Schiedsrichter ließ wohl tatsächlich acht Minuten nachspielen. Noch was, das mir entfallen war.
Ganz im Gegensatz zum Namen des Schiedsrichters. Der hieß Birlenbach und das sowohl in meiner Erinnerung, als auch in der Realität. Unglaublich, aber diesen Namen habe ich tatsächlich über all die Jahre im Kopf behalten.
Hauptsächlich, weil er damals meinen Liebling Pierre Littbarski vom Platz stellte. Was in meinen Augen weniger einer Majestätsbeleidigung, als vielmehr Gotteslästerung darstellte. Litti hatte sich mit seinem Gegenspieler Thomas Kempe (der Name stammt wieder von Google, an die Aktion erinnere ich mich tatsächlich) eine Rangelei geleistet. Ob es wirklich Foul war? Keine Ahnung. Der Litti war ja nur einen Meter zwanzig groß und damals im alten Müngersdorfer Rund ungefähr 300 Meter von mir entfernt.
Aber weil es eben der Litti war, entschied Schiedsrichter Birlenbach aus meiner Sicht vollkommen überzogen. Er gab jedenfalls beiden knallhart die rote Karte. Wie ich ihn in diesem Moment hasste. Und auch wenn ich immer noch nicht ganz verstand, was er damit meinte, war ich mir sicher, dass der riesige Hooligan in Bezug auf die Mutter des Schiedsrichters recht hatte.
Und dann passierte etwas, dass ich als Kind aus der Schule kannte. Wenn ich mich dort mit jemandem raufte und der Lehrer auftauchte, taten wie von einer Sekunde auf die andere so, als wären wir die besten Freunde. Und genau das machten Litti und Kempe. Am Ende verließen sie Arm in Arm den Platz, als wären sie die gute Kumpels auf dem gemeinsamen Heimweg.
Ich hingegen verließ mit meinem besten Freund euphorisiert das Stadion. Wir verloren uns aus den Augen, als ich spontan anhielt, um eine schief, aber laut und mit Überzeugung singende Gruppe nicht nur siegestrunkener Fans zu bewundern. Als sie erkannten, dass sie einen Bewunderer hatten, sangen sie nur noch für mich. Von meinem Freund und seinem Vater war nichts zu sehen und fünf nach Alkohol und Zigaretten stinkende Hünen schrien mir Müngersdorfer Stadion von Zeltinger förmlich ins Gesicht. Mindestens einer von den Typen hatte übrigens ziemliche Ähnlichkeit mit dem „Asi mit Niveau“. Wäre mir das auf der Straße passiert, wäre ich wohl weinend vor Angst zusammengebrochen.
Doch hier war es etwas ganz anderes. Wir befanden uns in einem Tempel in dem es Gut und Böse gab. Die Hünen waren Kölner, also die Guten. So einfach war das. Daher hatte ich kein bisschen Angst. Ich war im Himmel und grölte jedes der wenigen Worte, die ich von dem Lied kannte, mit. Dann waren die Typen auf einmal weg und mein Freund mit seinem Vater wieder da. Schluss mit Singen und ab nach Hause. Es war ja schon spät.
Mein Gutenachtlied an diesem Abend war das Echo von Müngersdorfer Stadion in meinem Kopf. Und bevor ich endgültig einschlief, war ich mir über eine Sache völlig im Klaren
Ich würde wiederkommen.
Foto: © Dirk Unschuld