Ode an das Kölner Umland

Letzte Woche traf ich meinen Freund Phil zum Frühstück an der „Mülheimer Freiheit“. Bei leckeren Baguettes wurden mal wieder die wesentlichen Themen des FC abgearbeitet. Selbstverständlich die aktuelle sportliche Situation, die Leistungen diverser Spieler, etc. Aber ein Thema ist mir besonders im Gedächtnis hängen geblieben. Die Umfrage des FC welche ergab, dass weniger als 20.000 der mehr als 70.000 Mitglieder direkt aus Köln kommen. Für mich, als Junge vom Land, natürlich ein innerer Vorbeimarsch. Grund genug, meine Gedanken noch einmal über das Thema schweifen zu lassen. Um mir Inspiration zu holen, begebe ich mich wieder mal zu einer Fahrt, zu den heiligen Stätten, des FC, dem Geißbockheim!
Während der Fahrt erinnere ich einen tollen Artikel Hans Reski´s, einem der größten FC-Literaten, der das ganze bereits in den 80ern an Hennes Weisweiler festmachte. Genau wie der alte Hennes stamme ich aus Erftstadt, dem Fußballkreis Euskirchen anhängig. Aber ich denke, ich spreche hier auch für die Siegburger, die Dürener, die Hürther, „Gläbbisch, Prüm un´Habbelrather“, welche sich damit identifizieren können sollten. Wir aus den Randgebieten nennen uns meistens auch „Kölner“, wenn ein „Nicht-Rheinländer“ fragt, wo wir denn her kommen. Was dann gegebenenfalls anwesende Kölner immer wieder zu Spott treibt:

„Du bist kein Kölner. Du wohnst nicht in Köln. Ihr seid „die Buure“!“
mussten wir uns seit Ewigkeiten anhören.

Dabei ist die Identifikation mit der kölschen Kultur, der kölschen Tradition und eben dem FC nirgendwo größer als unmittelbar vor den Stadttoren der „heiligen Stadt“! Schon als Kind wächst man mit diesem Club auf. Egal ob zu Hause, bei Tante, Oma und Opa, wenn ich morgens aufwachte, mich für die Schule fertig machte, lag auf dem Frühstückstisch der druckfrische Express. Der „ungelesene, unbefleckte“ Sportteil lag brav auf meinem Platz. Klar, wen interessiert in jungen Jahren schon die Kommunalpolitik und Gedöns? Zweiter Teil, erste Seite, alles Neue zum FC! Und so begannen die ersten Gespräche des Tages immer mit dem Thema FC! Nach der Schule und den Hausaufgaben ging es auf den Sportplatz. Jeder in unseren Dörfchen hat in seinem Verein gespielt. Ohne hatte man wenig Freunde und war etwas isoliert. Wir spielten natürlich alle für den großen Traum. Alle wollten irgendwann mal Profi beim FC werden! Das schien unser Lebenszweck zu sein. Wir spielten um uns aneinander zu messen und die beste Auslese für den großen Club aus der großen Stadt zu erzielen. Es schien eine kollektive Philosophie in unserem Leben zu herrschen, deren Fixpunkt immer wieder Köln war.
Warum? Die meisten arbeiteten in der Umgebung. Wir hatten fließend Wasser, Strom, Farbfernsehen und galten gemeinhin als zivilisiert. Warum diese Stadt?
Auch jetzt, da ich meinen Golf über die Luxemburger jage, kommt mir keine plausible Antwort. Köln hat auf uns eine magische Aura. Schon immer gehabt. Wenn sich morgens der Tau und der Dunst von den Kappes-Feldern erheben, wird wie durch Zauberhand am Horizont die Skyline der großen Stadt sichtbar. Es hatte schon immer etwas Erhabenes. Man wollte sein Dörfchen nicht missen oder eintauschen. Es genügte die räumliche Nähe. Die Stadt Köln war nur unser Tor zur großen weiten Welt. Als Kind liebte ich es, wenn mich Oma und Opa einmal im Quartal zum Großeinkauf mit in die Stadt nahmen. Feldhaus, eine Art antiquiertes Toys´r´us, bot alles, was das Spielwarenherz höher schlagen ließ. Bei den Klamotten, für die die Erwachsenen zuständig waren, galt wohl ähnliches:

„Datt jitt ett nur in Kölle“.

Wollte man außer Landes fliegen, ging das nur über den Flughafen in Köln. Und wenn man am ganz großen Fußball teilhaben wollte, dann musste man zum dortigen ersten Fußballclub der Stadt!
Der gemeine Kölner an sich sah das anders. Für ihn waren wir, wie gesagt „die Buure“ oder die „Kappes-Buure“. So eine Art rückständige Eingeborene. Sie lassen es uns mitunter bis heute spüren, dass sie sich als die wahren Kölner sehen. Sie scheinen sich als eine besondere Kaste zu sehen, weil ihre Mütter sie innerhalb der Stadtgrenzen zur Welt brachte. Dass die „Kappes-Buure“, besonders während und nach dem Krieg, existentiell für die Ernährung der Stadt Köln waren und diese über viele Jahrzehnte ernährte, interessierte dort niemanden. Auch nicht die Tatsache, dass die größten Traditionsunternehmen auf die Schaffenskraft der Umgebung angewiesen waren.
Natürlich fanden und finden diese Diskussionen immer noch statt. Zwischen Kollegen, auf der Arbeit, an der Theke, wenn man in Köln ein Bierchen trinkt, oder wo auch immer. Und natürlich ist das immer mit einem Augenzwinkern zu sehen. Aber durch dieses Verhalten der Kölner wuchs bei den „Buuren“ so eine Art „Hassliebe“. Obwohl dieses Wort sehr hart klingt, fällt mir gerade kein besseres ein. Als „Landei“ fühlt man sich immer getrieben, es „diesen arroganten Städtern“ zu beweisen.
Wie eingangs erwähnt, erlebte das keiner so deutlich, wie Hennes Weisweiler. Einer „von uns“, auf den wir sehr stolz sind. Wie auf alle „von uns“, die es in Köln zu Ruhm und Ehre brachten. Die den Club prägten und voran brachten. Flohe aus Euskirchen, Overath aus Siegburg  u.a. und eben „Don Hennes“ aus Erftstadt-Lechenich. Ihn hat man immer wieder seine Herkunft spüren lassen. Und so sehr er die Stadt liebte, so sehr liebte er es, sich an dieser zu reiben. Es ihr zu geben, es ihr zu zeigen.
Es gehört zu den tragischen Teilen der Geschichte des FCs, dass ausgerechnet DER Trainer der Clubgeschichte noch größere Erfolge beim ungeliebten Rivalen am Niederrhein feierte. Böse Zungen behaupten bis heute, dass ihn die Kölner so weit trieben, dass er ihnen über Gladbach eins auswischen wollte. Weil er bei den „Eingeborenen“ eben nie die Akzeptanz fand, die er eigentlich verdiente, während er für uns eine Ikone und Symbolfigur darstellt. Wie eben Flohe oder Overath und Andere.

Während ich nun in die „Hennes-Weisweiler-Allee“ einbiege, muss ich schmunzeln. Ist das heilige Geißbockheim, der Vatikan der FC-Fans, noch „Stadt Köln“? Laut Postadresse schon. Aber gefühlt ist es doch eher Hürth, gell? Passender hätte man das Hauptquartier nicht bauen können. Räumlich außerhalb, aber gefühlt immer noch Köln. Besser könnte man das Gefühl der FC- und Köln-Fans, von außerhalb, nicht beschreiben. Grinsend erlaube ich mir diese Frage bei der Kellnerin, nachdem ich meinen Espresso bestellt habe:
“ Entschuldigung, aber ist das hier schon Köln? Oder bin ich noch in Hürth.“
Ich sehe die Fragezeichen, welche über dem Kopf der Bedienung tanzen.
„Wie meinen Sie das denn?“ fragte sie, scheinbar entsetzt. Ja, so sind sie die Stadtmenschen.
Natürlich hat sich die Bevölkerung in Köln im Laufe der Jahrzehnte gewandelt. Viele Gastarbeiter, viele Studenten, viele Fachkräfte und viele andere, aus allen Teilen der Welt, haben sich im Laufe der Zeit in der heiligen Stadt breit gemacht.
Keine Angst! Das war schon immer so!
Seit den Ubiern, dem Ur-Stamm, der dann durch die Römer „bereichert“ wurde, lebt diese pulsierende Stadt von ihrer eigenen, permanenten Veränderung.
Und das ist gut so!
Heute diskutiert man nicht mehr zwingend mit dem typischen, überheblichen, selbstgefälligen Ur-Kölner, wenn man in Zollstock, Ehrenfeld oder Porz an der Theke steht. Heute diskutiert man dort mit italienische, türkischen, westfälischen, bayrischen FC-Fans, die aus den unterschiedlichsten Gründen in dieser Stadt leben.

Das Urkölsche, die Tradition, das Hochleben der Vergangenheit wird immer noch im Umland Köln´s weiter getragen und ist bis heute die große Konstante im Innenleben des FC. Auch heute noch versammeln sich in allen Dörfchen der Umgebung die Fans, um gemeinsam zum „FC“ zu fahren. Ob Sankt Müngersdorf oder auswärts. FC ist angesagt!
Das Gemeinschaftsgefühl wird nirgendwo sonst so stark geprägt und gelebt, wie in den unzähligen Fan-Clubs, die es hier allenorts gibt. Und nirgendwo sonst werden die „alten Helden“ unseres Clubs noch so gefeiert und geliebt als dort, wo die meisten selbst herkommen!
Lieber Tünn(Schumacher)! Vergesst eure Initiativen. Wir wundern uns, warum Ihr euch so wundert. Kommst Du doch selber aus Düren und bist so sozialisiert wie wir. Du willst die 100.000 Mitglieder? Keine Sorge, Jung. Gib uns 9-18 Monate, und wir sorgen für die nächsten Generationen.

Denn es gibt ein paar Dinge auf diesem Planeten, die sich nie ändern: Der schönste Dom der Welt wird immer in Köln stehen, der Rhein fließt immer flußabwärts.
Und das Herz des FC schlägt um Köln herum!

Kölle alaaf
Viele Grüße
„Ich bin ´ne Buur“!!!

3 Kommentare

  1. Hans

    Die Fans des #effzeh kamen schon in früheren Zeiten überwiegend aus dem Umland. Und auch nicht wenige Spieler… Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da haben wir Anfang der 80er Jahre in einem Dezember-Spiel gegen Bielefeld mit 5000 Zuschauern im Stadion gesessen und uns den Hintern abgefroren.. Davon 300 Bielefelder Fans, 200 aus Köln und der Rest Buure aus Jülich, Düren, Kerpen, Bergheim usw. Erkenntlich an den Nummernschildern auf den Parkplätzen und an den Flachmännern mit Knollenschnaps, der während des Spiels zum aufwärmen gereicht wurde.

    Erst als es schick wurde zum #effzeh zu gehen, gesellten sich auch die Städter dazu. Früher durftest du nämlich nur zweimal schlecht spielen, beim dritten Spiel kamen dann kaum noch Zuschauer. Und erst recht keine Kölner… Ich bin übrigens im Severinsklösterchen geboren und gehe, wenn ich nicht gerade wieder wie jetzt beruflich unterwegs bin, immer noch gerne mit einigen Buure von damals ins Stadion.

    Man kennt sich eben jetzt fast 40 Jahre und länger… 😉

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    • Kölsche Ziege [philtek]

      Ja. Was wären wir ohne die Buuren. Ist schon krass, wie sich das mit den Zuschauern im Stadion entwickelt hat. Früher Gings um Europa und das noch größere Stadion war fast leer. Und dann war es jahrelang selbst in der zweiten Liga fast immer ausverkauft.
      Schön, dass Du und die Buuren dem FC die ganze Zeit treu geblieben seid.
      Gruß
      Philtek

      Antworten
  2. Kölsche Ziege [philtek]

    Lieber Rhinemike,
    Danke für den schönen Beitrag. Gut, dass es euch Buure gibt. Ohne würde was fehlen. Auf viele weitere Gespräche über den heiligen FC.
    Gruß
    Philtek

    Antworten

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